Poems by Johan Wolfgang von Goethe

Mignon Der Sänger
Ballade Das Veilchen
Der untreue Knabe Erlkönig
Der Fischer Der König in Thule
Das Blümlein Wunderschön Ritter Kurt's Brautfahrt
Hochzeitlied


Mignon

        Kennst du das Land, wo die Zitronen blüh'n,

        Im dunkeln Laub die Goldorangen glüh'n,

        Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,

        Die Myrte still und hoch der Lorbeer steht,

         

                Dahin! Dahin 

        Möcht' ich mit dir, o mein Geliebter, zieh'n.

         

        Kennst du das Haus? Auf Säulen ruht sein Dach,

        Es glänzt der Saal, es schimmert das Gemach,

        Und Marmorbilder stehn und seh'n mich an:

        Was hat man dir, du armes Kind, getan?

        Kennst du es wohl?

                Dahin! Dahin 

        Möcht ich mit dir, o mein Beschützer, zieh'n.

         

        Kennst du den Berg und seinen Wolkensteg?

        Das Maultier sucht im Nebel seinen Weg;

        In Höhlen wohnt der Drachen alte Brut;

        Es stürzt der Fels und über ihn die Flut.

        Kennst du ihn wohl?

                Dahin! Dahin 

        Geht unser Weg! o Vater, laß uns zieh'n!


Der Sänger

        "Was hör' ich draußen vor dem Tor,

        Was auf der Brücke schallen?

        Laß den Gesang vor unserm Ohr

        Im Saale widerhallen!"

        Der König sprach's, der Page lief;

        Der Knabe kam, der König rief:

        "Laßt mir herein den Alten!"

         

        "Gegrüßet seid mir, edle Herrn,

        Gegrüßt ihr, schöne Damen!

        Welch reicher Himmel! Stern bei Stern!

        Wer kennet ihre Namen?

        Im Saal voll Pracht und Herrlichkeit

        Schließt, Augen, euch; hier ist nicht Zeit,

        Sich staunend zu ergetzen."

         

        Der Sänger drückt' die Augen ein

        Und schlug in vollen Tönen;

        Die Ritter schauten mutig drein

        Und in den Schoß die Schönen.

        Der König, dem das Lied gefiel,

        Ließ, ihn zu ehren für sein Spiel,

        Eine goldne Kette holen.

         

        "Die goldne Kette gib mir nicht,

        Die Kette gib den Rittern,

        Vor deren kühnem Angesicht

        Der Feinde Lanzen splittern;

        Gib sie dem Kanzler, den du hast,

        Und laß ihn noch die goldne Last

        Zu andern Lasten tragen.

         

        Ich singe, wie der Vogel singt,

        Der in den Zweigen wohnet;

        Das Lied, das aus der Kehle dringt,

        Ist Lohn, der reichlich lohnet.

        Doch darf ich bitten, bitt ich eins:

        Laß mir den besten Becher Weins

        In purem Golde reichen."

         

        Er setzt' ihn an, er trank ihn aus:

        "O Trank voll süßer Labe!

        O wohl dem hochbeglückten Haus,

        Wo das ist kleine Gabe!

        Ergeht's euch wohl, so denkt an mich,

        Und danket Gott so warm, als ich

        Für diesen Trunk euch danke."


Ballade

vom vertriebenen und zurückkehrenden Grafen

 

    "Herein, o du Guter! du Alter, herein!

    Hier unten im Saale, da sind wir allein,

    Wir wollen die Pforte verschließen.

    Die Mutter, sie betet; der Vater im Hain

    Ist gangen, die Wölfe zu schießen.

    O sing uns ein Märchen, o sing es uns oft,

    Daß ich und der Bruder es lerne;

    Wir haben schon längst einen Sänger gehofft.

    Die Kinder, sie hören es gerne.

     

    "Im nächtlichen Schrecken, im feindlichen Graus,

    Verläßt er das hohe, das herrliche Haus,

    Die Schätze, die hat er vergraben.

    Der Graf nun so eilig zum Pförtchen hinaus,

    Was mag er im Arme denn haben?

    Was birget er unter dem Mantel geschwind?

    Was trägt er so rasch in die Ferne?

    Ein Töchterchen ist es, da schläft nun das Kind."

    Die Kinder, sie hören es gerne.

     

    "Nun hellt sich der Morgen, die Welt ist so weit,

    In Tälern und Wäldern die Wohnung bereit,

    In Dörfern erquickt man den Sänger.

    So schreitet und heischt er undenkliche Zeit,

    Der Bart wächst ihm länger und länger;

    Doch wächst in dem Arme das liebliche Kind,

    Wie unter dem glücklichsten Sterne,

    Geschützt in dem Mantel vor Regen und Wind."

    Die Kinder, sie hören es gerne.

     

    "Und immer sind weiter die Jahre gerückt,

    Der Mantel entfärbt sich, der Mantel zerstückt,

    Er könnte sie länger nicht fassen.

    Der Vater, er schaut sie, wie ist er beglückt!

    Er kann sich für Freude nicht lassen;

    So schön und so edel erscheint sie zugleich,

    Entsprossen aus tüchtigem Kerne;

    Wie macht sie den Vater, den teuren, so reich!"

    Die Kinder, sie hören es gerne.

     

    "Da reitet ein fürstlicher Ritter heran,

    Sie recket die Hand aus, der Gabe zu nah'n;

    Almosen will er nicht geben.

    Er fasset das Händchen so kräftiglich an:

    Die will ich, so ruft er, 'auf's Leben!'

    'Erkennst du', erwidert der Alte, 'den Schatz,

    Erhebst du zur Fürstin sie gerne;

    Sie sei dir verlobet auf grünendem Platz.'"

    Die Kinder, sie hören es gerne.

     

    "Sie segnet der Priester am heiligen Ort;

    Mit Lust und mit Unlust ziehet sie fort;

    Sie möchte vom Vater nicht scheiden.

    Der Alte, er wandelt nun hier und bald dort,

    Er träget in Freuden sein Leiden.

    So hab' ich mir Jahre die Tochter gedacht,

    Die Enkelein wohl in der Ferne;

    Sie segn ich bei Tage, sie segn' ich bei Nacht."

    Die Kinder, sie hören es gerne.

     

    Er segnet die Kinder; da polterts am Tor,

    "Der Vater, da ist er!" Sie springen hervor.

    Sie können den Alten nicht bergen.

    "Was lockst du die Kinder! du Bettler! du Tor!

    Ergreift ihn, ihr eisernen Schergen!

    Zum tiefsten Verließ den Verwegenen fort!"

    Die Mutter vernimmts in der Ferne,

    Sie eilet, sie bittet mit schmeichelndem Wort.

    Die Kinder, sie hören es gerne.

     

    Die Schergen, sie lassen den Würdigen steh'n,

    Und Mutter und Kinder, sie bitten so schön;

    Der fürstliche Stolze verbeißet

    Die grimmige Wut, ihn entrüstet das fleh'n,

    Bis endlich sein Schweigen zerreißet:

    "Du niedrige Brut! du vom Bettlergeschlecht!

    Verfinsterung fürstlicher Sterne!

    Ihr bringt mir Verderben! Geschieht mir doch Recht!"

    Die Kinder, sie hörens nicht gerne.

     

    Noch stehet der Alte mit herrlichem Blick,

    Die eisernen Schergen, sie treten zurück;

    Es wächs't nur das Toben und Wüten:

    "Schon lange verflucht' ich mein eh'liches Glück,

    Da sind nun die Früchte der Blüten!

    Man leugnete stets, und man leugnet mit Recht,

    Daß je sich der Adel erlerne;

    Die Bettlerin zeuget mir Bettlergeschlecht!"

    Die Kinder, sie hörens nicht gerne.

     

    "Und wenn euch der Gatte, der Vater verstößt,

    Die heiligsten Bande verwegentlich lös't,

    So kommt zu dem Vater, dem Ahnen!

    Der Bettler vermag, so ergraut und entblößt,

    Euch herrliche Wege zu bahnen.

    Die Burg, die ist meine! Du hast sie geraubt,

    Mich trieb dein Geschlecht in die Ferne.

    Wohl bin ich mit köstlichen Siegeln beglaubt!"

    Die Kinder, sie hören es gerne.

     

    Rechtmäßiger König, er kehret zurück,

    Den Treuen verleiht er entwendetes Glück,

    "Ich löse die Siegel der Schätze."

    So rufet der Alte mit freundlichem Blick:

    "Euch künd' ich die milden Gesetze.

    Erhole dich, Sohn! Es entwickelt sich gut,

    Heut einen sich selige Sterne;

    Die Fürstin, sie zeugte dir fürstliches Blut!"

    Die Kinder, sie hören es gerne.


Das Veilchen

        Ein Veilchen auf der Wiese stand

        Gebückt in sich und unbekannt;

        Es war ein herzig's Veilchen.

        Da kam eine junge Schäferin,

        Mit leichtem Schritt und munterm Sinn,

        Daher, daher,

        Die Wiese her, und sang.

         

        "Ach!" denkt das Veilchen, "wär' ich nur

        Die schönste Blume der Natur,

        Ach, nur ein kleines Weilchen,

        Bis mich das Liebchen abgepflückt

        Und an dem Busen matt gedrückt!

        Ach nur, ach nur

        Ein Viertelstündchen lang!"

         

        Ach! aber ach! das Mädchen kam

        Und nicht in acht das Veilchen nahm,

        Ertrat das arme Veilchen.

        Es sank und starb und freut' sich noch:

        "Und sterb' ich denn, so sterb' ich doch

        Durch sie, durch sie,

        Zu ihren Füßen doch."


Der untreue Knabe

        Es war ein Knabe frech genung,

        War erst aus Frankreich kommen;

        Der hatt' ein armes Mädel jung

        Gar oft in Arm genommen,

        Und liebgekos't und liebgeherzt,

        Als Bräutigam herumgescherzt,

        Und endlich sie verlassen.

         

        Das braune Mädel das erfuhr,

        Vergingen ihr die Sinnen;

        Sie lacht' und weint' und bet't' und schwur,

        So fuhr die Seel' von hinnen.

        Die Stund', da sie verschieden war,

        Wird bang dem Buben, graus't sein Haar,

        Es treibt ihn fort zu Pferde.

         

        Er gab die Sporen kreuz und quer

        Und ritt auf alle Seiten,

        Herüber, hinüber, hin und her,

        Kann keine Ruh' erreiten;

        Reit't sieben Tag' und sieben Nacht',

        Es blitzt und donnert, stürmt und kracht,

        Die Fluten reißen über.

         

        Und reit't in Blitz und Wetterschein

        Gemäuerwerk entgegen,

        Bind't 's Pferd hauß' an und kriecht hinein

        Und duckt sich vor dem Regen.

        Und wie er tappt und wie er fühlt,

        Sich unter ihm die Erd' erwühlt;

        Er stürzt wohl hundert Klafter.

         

        Und als er sich ermannt vom Schlag,

        Sieht er drei Lichtlein schleichen.

        Er rafft sich auf und krabbelt nach;

        Die Lichtlein ferne weichen;

        Irrführen ihn die Quer' und Läng',

        Trepp' auf, Trepp' ab, durch enge Gäng',

        Verfallne, wüste Keller.

         

        Auf einmal steht er hoch im Saal,

        Sieht sitzen hundert Gäste,

        Hohläugig grinsen allzumal

        Und winken ihm zum Feste.

        Er sieht sein Schätzel untenan

        Mit weißen Tüchern angetan,

        Die wend't sich -


Erlkönig

    Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?

    Es ist der Vater mit seinem Kind;

    Er hat den Knaben wohl in dem Arm,

    Er faßt ihn sicher, er hält ihn warm.

     

    "Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht?"

    "Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?

    Den Erlenkönig mit Kron und Schweif?"

    "Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif."

     

    "Du liebes Kind, komm', geh' mit mir!

    Gar schöne Spiele spiel ich mit dir;

    Manch bunte Blumen sind an dem Strand;

    Meine Mutter hat manch gülden Gewand."

     

    "Mein Vater, mein Vater, und hörest du nicht,

    Was Erlenkönig mir leise verspricht?"

    "Sei ruhig, bleibe ruhig, mein Kind!

    In dürren Blättern säuselt der Wind."

     

    "Willst, feiner Knabe, du mit mir geh'n?

    Meine Töchter sollen dich warten schön;

    Meine Töchter führen den nächtlichen Reihn

    Und wiegen und tanzen und singen dich ein."

     

    "Mein Vater, mein Vater, und siehst du nicht dort

    Erlkönigs Töchter am düstern Ort?"

    "Mein Sohn, mein Sohn, ich seh' es genau:

    Es scheinen die alten Weiden so grau."

     

    "Ich liebe dich, mich reizt deine schöne Gestalt;

    Und bist du nicht willig, so brauch' ich Gewalt."

    "Mein Vater, mein Vater, jetzt faßt er mich an!

    Erlkönig hat mir ein Leids getan!"

     

    Dem Vater grauset's, er reitet geschwind,

    Er hält in Armen das ächzende Kind,

    Erreicht den Hof mit Mühe und Not;

    In seinen Armen das Kind war tot.


Der Fischer

        Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,

        Ein Fischer saß daran,

        Sah nach dem Angel ruhevoll,

        Kühl bis an's Herz hinan.

        Und wie er sitzt und wie er lauscht,

        Teilt sich die Flut empor;

        Aus dem bewegten Wasser rauscht

        Ein feuchtes Weib hervor.

         

        Sie sang zu ihm, sie sprach zu ihm:

        "Was lockst du meine Brut

        Mit Menschenwitz und Menschenlist

        Hinauf in Todesglut?

        Ach wüßtest du, wie's Fischlein ist

        So wohlig auf dem Grund,

        Du stiegst herunter, wie du bist,

        Und würdest erst gesund.

         

        Labt sich die liebe Sonne nicht,

        Der Mond sich nicht im Meer?

        Kehrt wellenatmend ihr Gesicht

        Nicht doppelt schöner her?

        Lockt dich der tiefe Himmel nicht,

        Das feuchtverklärte Blau?

        Lockt dich dein eigen Angesicht

        Nicht her in ew'gen Tau?"

         

        Das Wasser rauscht', das Wasser schwoll,

        Netzt' ihm den nackten Fuß;

        Sein Herz wuchs ihm so sehnsuchtsvoll,

        Wie bei der Liebsten Gruß.

        Sie sprach zu ihm, sie sang zu ihm;

        Da war's um ihn gescheh'n:

        Halb zog sie ihn, halb sank er hin,

        Und ward nicht mehr geseh'n.


Der König in Thule

            Es war ein König in Thule

            Gar treu bis an das Grab,

            Dem sterbend seine Buhle

            Einen goldnen Becher gab.

             

            Es ging ihm nichts darüber,

            Er leert' ihn jeden Schmaus;

            Die Augen gingen ihm über,

            Sooft er trank daraus.

             

            Und als er kam zu sterben,

            Zählt' er seine Städt' im Reich,

            Gönnt' alles seinem Erben,

            Den Becher nicht zugleich.

             

            Er saß beim Königsmahle,

            Die Ritter um ihn her,

            Auf hohem Vätersaale,

            Dort auf dem Schloß am Meer.

             

            Dort stand der alte Zecher,

            Trank letzte Lebensglut,

            Und warf den heil'gen Becher

            Hinunter in die Flut.

             

            Er sah ihn stürzen, trinken

            Und sinken tief in's Meer.

            Die Augen täten ihm sinken;

            Trank nie einen Tropfen mehr.


Das Blümlein Wunderschön

Lied des gefangnen Grafen

 

                Graf 

        Ich kenn ein Blümlein Wunderschön

        Und trage darnach Verlangen;

        Ich macht es gerne zu suchen gehn,

        Allein ich bin gefangen.

        Die Schmerzen sind mir nicht gering;

        Denn als ich in der Freiheit ging,

        Da hatt ich es in der Nähe.

         

        Von diesem ringsum steilen Schloß

        Laß' ich die Augen schweifen

        Und kann's von hohem Turmgeschoß

        Mit Blicken nicht ergreifen;

        Und wer mir's vor die Augen brächt,

        Es wäre Ritter oder Knecht,

        Der sollte mein Trauter bleiben.

         

                Rose 

        Ich blühe schön und höre dies

        Hier unter deinem Gitter.

        Du meinest mich, die Rose, gewiß,

        Du edler armer Ritter!

        Du hast gar einen hohen Sinn,

        Es herrscht die Blumenkönigin

        Gewiß auch in deinem Herzen.

         

                Graf 

        Dein Purpur ist aller Ehren wert

        Im grünen Überkleide;

        Darob das Mädchen dein begehrt,

        Wie Gold und edel Geschmeide.

        Dein Kranz erhöht das schönste Gesicht:

        Allein du bist das Blümchen nicht,

        Das ich im stillen verehre.

         

                Lilie 

        Das Röslein hat gar stolzen Brauch

        Und strebet immer nach oben;

        Doch wird ein liebes Liebchen auch

        Der Lilie Zierde loben.

        Wem 's Herze schlägt in treuer Brust

        Und ist sich rein, wie ich, bewußt,

        Der hält mich wohl am höchsten.

         

                Graf 

        Ich nenne mich zwar keusch und rein

        Und rein von bösen Fehlen;

        Doch muß ich hier gefangen sein

        Und muß mich einsam quälen.

        Du bist mir zwar ein schönes Bild

        Von mancher Jungfrau, rein und mild:

        Doch weiß ich noch was Liebers.

         

                Nelke 

        Das mag wohl ich, die Nelke, sein,

        Hier in des Wächters Garten;

        Wie würde sonst der Alte mein

        Mit so viel Sorge warten?

        Im schönen Kreis der Blätter Drang,

        Und Wohlgeruch das Leben lang,

        Und alle tausend Farben.

         

                Graf 

        Die Nelke soll man nicht verschmäh'n;

        Sie ist des Gärtners Wonne:

        Bald muß sie in dem Lichte steh'n,

        Bald schützt er sie vor Sonne;

        Doch was den Grafen glücklich macht,

        Es ist nicht ausgesuchte Pracht:

        Es ist ein stilles Blümchen.

         

                Veilchen 

        Ich steh' verborgen und gebückt

        Und mag nicht gerne sprechen,

        Doch will ich, weil sich's eben schickt,

        Mein tiefes Schweigen brechen.

        Wenn ich es bin, du guter Mann,

        Wie schmerzt mich's, daß ich hinauf nicht kann

        Dir alle Gerüche senden!

         

                Graf 

        Das gute Veilchen schätz' ich sehr:

        Es ist so gar bescheiden

        Und duftet so schön; doch brauch' ich mehr

        In meinem herben Leiden.

        Ich will es euch nur eingesteh'n:

        Auf diesen dürren Felsenhöh'n

        Ist's Liebchen nicht zu finden.

         

        Doch wandelt unten, an dem Bach,

        Das treuste Weib der Erde,

        Und seufzet leise manches Ach,

        Bis ich erlöset werde.

        Wenn sie ein blaues Blümchen bricht

        Und immer sagt: "Vergiß mein nicht!"

        So fühl ich's in der Ferne.

         

        Ja, in der Ferne fühlt sich die Macht,

        Wenn zwei sich redlich lieben;

        Drum bin ich in des Kerkers Nacht

        Auch noch lebendig geblieben.

        Und wenn mir fast das Herze bricht,

        So ruf' ich nur: "Vergiß mein nicht!"

        Da komm' ich wieder ins Leben.


Ritter Kurt's Brautfahrt

        Mit des Bräutigams Behagen

        Schwingt sich Ritter Kurt auf's Roß;

        Zu der Trauung soll's ihn tragen,

        Auf der edlen Liebsten Schloß:

        Als am öden Felsenorte

        Drohend sich ein Gegner naht:

        Ohne Zögern, ohne Worte

        Schreiten sie zu rascher Tat.

         

        Lange schwankt des Kampfes Welle,

        Bis sich Kurt im Siege freut;

        Er entfernt sich von der Stelle,

        Überwinder und gebleut.

        Aber was er bald gewahret

        In des Busches Zitterschein!

        Mit dem Säugling still gepaaret

        Schleicht ein Liebchen durch den Hain.

         

        Und sie winkt ihm auf das Plätzchen:

        "Lieber Herr, nicht so geschwind!

        Habt Ihr nichts an Euer Schätzchen,

        Habt Ihr nichts für Euer Kind?"

        Ihn durchglühet süße Flamme,

        Daß er nicht vorbeibegehrt,

        Und er findet nun die Amme,

        Wie die Jungfrau, liebenswert.

         

        Doch er hört die Diener blasen,

        Denket nun der hohen Braut,

        Und nun wird auf seinen Straßen

        Jahresfest und Markt so laut,

        Und er wählet in den Buden

        Manches Pfand zu Lieb und Huld:

        Aber ach! da kommen Juden

        Mit dem Schein vertagter Schuld.

         

        Und nun halten die Gerichte

        Den behenden Ritter auf.

        "O verteufelte Geschichte!

        Heldenhafter Lebenslauf!

        Soll ich heute mich gedulden?

        Die Verlegenheit ist groß.

        Widersacher, Weiber, Schulden,

        Ach! kein Ritter wird sie los."


Hochzeitlied

    Wir singen und sagen vom Grafen so gern,

    Der hier in dem Schlosse gehauset,

    Da, wo ihr den Enkel des seligen Herrn,

    Den heute vermählten, beschmauset.

    Nun hatte sich jener im heiligen Krieg

    Zu Ehren gestritten durch mannigen Sieg.

    Und als er zu Hause vom Rösselein stieg,

    Da fand er sein Schlösselein oben,

    Doch Diener und Habe zerstoben.

     

    "Da bist du nun, Gräflein, da bist du zu Haus;

    Das Heimische findest du schlimmer!

    Zum Fenster, da ziehen die Winde hinaus,

    Sie kommen durch alle die Zimmer.

    Was wäre zu tun in der herbstlichen Nacht?

    So hab ich doch manche noch schlimmer vollbracht,

    Der Morgen hat alles wohl besser gemacht.

    Drum rasch, bei der mondlichen Helle

    In's Bett, in das Stroh, in's Gestelle!"

     

    Und als er im willigen Schlummer so lag,

    Bewegt es sich unter dem Bette.

    "Die Ratte, die raschle, solange sie mag!

    Ja, wenn sie ein Bröselein hätte!"

    Doch siehe! da stehet ein winziger Wicht,

    Ein Zwerglein so zierlich mit Ampelenlicht,

    Mit Rednergebärden und Sprechergewicht,

    Zum Fuß des ermüdeten Grafen,

    Der, schläft er nicht, möcht er doch schlafen.

     

    "Wir haben uns Feste hier oben erlaubt,

    Seitdem du die Zimmer verlassen,

    Und weil wir dich weit in der Ferne geglaubt,

    So dachten wir eben zu prassen.

    Und wenn du vergönnest und wenn dir nicht graut,

    So schmausen die Zwerge, behaglich und laut,

    Zu Ehren der reichen, der niedlichen Braut."

    Der Graf im Behagen des Traumes:

    "Bedienet euch immer des Raumes!"

     

    Da kommen drei Reiter, sie reiten hervor,

    Die unter dem Bette gehalten;

    Dann folget ein singendes klingendes Chor

    Possierlicher kleiner Gestalten;

    Und Wagen auf Wagen mit allem Gerät,

    Daß einem so Hören als Sehen vergeht,

    Wie's nur in den Schlössern der Könige steht;

    Zuletzt auf vergoldetem Wagen

    Die Braut und die Gäste getragen.

     

    So rennet nun alles in vollem Galopp

    Und kürt sich im Saale sein Plätzchen;

    Zum Drehen und Walzen und lustigen Hopp

    Erkieset sich jeder ein Schätzchen.

    Da pfeift es und geigt es und klinget und klirrt,

    Da ringelt's und schleift es und rauschet und wirrt,

    Da pispert's und knistert's und flistert's und schwirrt;

    Das Gräflein, es blicket hinüber,

    Es dünkt ihn, als läg er im Fieber.

     

    Nun dappelt's und rappelt's und klappert's im Saal

    Von Bänken und Stühlen und Tischen,

    Da will nun ein jeder am festlichen Mahl

    Sich neben dem Liebchen erfrischen;

    Sie tragen die Würste, die Schinken so klein

    Und Braten und Fisch und Geflügel herein;

    Es kreiset beständig der köstliche Wein;

    Das toset und koset so lange,

    Verschwindet zuletzt mit Gesange.

     

    Und sollen wir singen, was weiter geschehn,

    So schweige das Toben und Tosen.

    Denn was er so artig im kleinen gesehn,

    Erfuhr er, genoß er im großen.

    Trompeten und klingender singender Schall

    Und Wagen und Reiter und bräutlicher Schwall,

    Sie kommen und zeigen und neigen sich all,

    Unzählige, selige Leute.

    So ging es und geht es noch heute.


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